Technische oder wirtschaftliche Gründe zum Abregeln von Solaranlagen - das neue Solarspitzengesetz
27.2.2025
Eberhard Waffenschmidt
Am
Dienstag, den 25.2.2025 trat das das "Gesetz zur Änderung des
Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären
Erzeugungsüberschüssen" oder umgangssprachlich das Solarspitzen-Gesetz
in Kraft. Ein Gesetz, das es für die Solarenergie und damit für die
Energiewende in sich hat: Es soll Stromüberschüssen und negativen
Strompreisen entgegenwirken. Alle neuen Photovoltaik (PV)-Anlagen ab 2
kWp müssen entweder über ein sogenanntes Intelligentes Messsystem
(IMSys) vom Netzbetreiber ansteuerbar sein oder die Einspeiseleistung
muss auf 60% der installierten Spitzenleistung beschränkt werden.
Weiterhin wird eingespeister PV-Strom nicht vergütet, wenn die
Strompreise an der Strombörse negativ sind. Diese nicht-vergüteten
Zeiten werden am Ende der Laufzeit der PV-Anlagen zum Teil
ausgeglichen.
Dass
der Netzbetreiber auch kleinere PV-Anlagen (ab 2 kWp) in einem
technischen Notfall abregeln kann, wird in der nächsten Zeit notwendig
werden. Im letzten Jahr wurde mehr PV-Leistung
auf Dächern installiert als in Freiflächenanlagen. Es mag der Punkt kommen,
wo die eingespeiste PV Leistung technisch nicht mehr abgenommen werden
kann oder eine anderweitige Überlastung lokaler Netze droht.
Insofern ist eine Abregelung unterstützenswert. Allerdings sollten die
dafür notwendigen Extrakosten nicht den Klein-PV-Betreibern auferlegt
werden, die damit über Gebühr belastet werden. Denkbar wären eine
deutlich stärkere Bezuschussung oder Kappung der Kosten für ein IMSys
einzuführen, insbesondere für Kleinstanlagen. Zu beachten ist aber,
dass der Rollout für intelligente Messsysteme aktuell nur sehr langsam
vorangeht und erst 2032 zu 90% abgeschlossen sein soll.
In
dem Zusammenhang ist dann eine Kappung der Einspeiseleistung auf 60%
der Spitzenleistung vorgesehen, was eine Ertragsminderung bedeutet. Mit
einem exemplarischen PV-Einspeiseprofil (Region Köln, Südausrichtung,
30° Neigung) habe ich 6,8% Ertragsminderung für eine
Volleinspeise-Anlage ausgerechnet. In einer anderen Untersuchung waren
es knapp über 10%
(siehe
http://www.100pro-erneuerbare.com/netze/publikationen/2014-02-Eck/Eck-PV_Speicher_mit_Einspeiselimit.htm).
Das scheint jetzt nicht so sehr dramatisch zu sein, entscheidet aber
darüber, ab wann eine PV-Anlage wirtschaftlich betrieben werden
kann.
In
Fachkreisen wird die Maßnahme lapidar damit relativiert, dass die
meisten privaten PV-Anlagen inzwischen mit Batteriespeicher installiert
werden. Grundsätzlich kann die gekappte Leistung in der Batterie
zwischengespeichert werden und die Ertragsminderung reduziert sich auf
die Verluste beim Ein- und Ausspeichern. Aber das Batteriemanagement
muss dazu in der Lage sein, im Fall der Abregelung die PV-Energie noch
zu speichern. Das geht grundsätzlich. Aber eine Optimierung
hinsichtlich der PV-Kappung erfordert grundsätzlich eine andere
Betriebsstrategie als die Optimierung für den Eigenbedarf: Zum
optimierten Eigenverbrauch sollte der Speicher möglichst voll sein,
damit man ihn immer nutzen kann, wenn die Sonne mal plötzlich hinter
Wolken verschwindet. Um hingegen eine Spitzenkappung abzufangen, sollte
der Speicher möglichst viel Platz für die entsprechende Energiemenge
vorhalten. Wie man diese gegensätzliche Anforderungen berücksichtigen
kann, ist in meinem Artikel für die IRES 2013 veröffentlicht (siehe http://www.100pro-erneuerbare.com/publikationen/2013-11-Waffenschmidt-IRES/Waffenschmidt-dimensioning_of_pv_storages.htm
).
Insgesamt sehe ich die Maßnahme Kappung der PV-Leistung gerade für kleine PV Anlagen kritisch. Offensichtlich will man einen Weg des kleinsten Widerstands gehen und die Kosten des technisch Notwendigen den Kleinanlagen-Betreibern aufbürden. Man hätte besser auf die Abregelung verzichten und stattdessen finanzielle Anreize für eine Fernsteuerbarkeit aus technischen Gründen einführen sollen.
Die Nicht-Vergütung von Solaranlagen bei negativen Strompreisen hat jedoch keinen technischen, sondern nur einen kommerziellen Hintergrund. Manche Leute setzen negative Strompreise mit einer technischen Instabilität des Stromnetzes gleich. Scheinbar gäbe es kein Gleichgewicht von Stromerzeugung und Verbrauch mehr. Das ist aber nicht so. Vielmehr sorgt der Markt ja gerade genau dafür, dass sich noch genug Verbraucher finden, die dann den Strom abnehmen, wenn sie dafür bezahlt werden. Selbst bei stark negativen Strompreisen werden konventionelle Großkraftwerke zum Teil weiter betrieben. Diese könnten im Notfall abgeschaltet werden, bevor das Stromnetz zusammenbricht. Sollte das ein technisches Problem sein, sollen ja die Netzbetreiber die Möglichkeit erhalten, die Solaranlagen aus technischen Gründen abzuregeln.
Stark
schwankende und häufige negative Strompreise haben im Übrigen dazu
beigetragen, eine beispiellose Schwemme von Anschlussbegehren von
Großbatteriespeichern zu triggern. Kürzlich berichtete die Tagesschau
auf ihrer Webseite, dass derzeit über 200 GW Speicherleistung bei den
Übertragungsnetzbetreibern beantragt sind. Auf der Tagung „Zukünftige
Stromnetze“ Ende Januar in Berlin berichtete Herr Dederichs vom
Übertragungsnetzbetreiber Amprion, dass davon 30 GW zugesagt sind.
Diese großen Speicherkapazitäten können nur finanziert werden, wenn die
Strompreise durch weiteren Zubau von Erneuerbaren auch in Zukunft
schwanken und auch negative Werte annehmen. Die Nichtvergütung von
Solaranlagen bei negativen Preisen wirkt gegen den Ausbau und könnte
den aktuellen Speicherboom, den wir dringend benötigen, abwürgen.
Mir
erscheint die Nicht-Vergütung bei negativen Strompreisen als eine
populistische Maßnahme. Offensichtlich können manche es nicht ertragen
und empfinden es als ungerecht, dass Solaranlagen auch dann noch Geld
für eingespeisten Strom bekommen, wenn konventionelle Kraftwerke für
das Einspeisen bezahlen müssen. Wenn Vergütungen gezahlt werden, obwohl
Preise negativ sind, wird auch ein wirtschaftliches Desaster für das
EEG-Umlagekonto und des Steuersäckchens befürchtet. Dabei wird jedoch
nicht beachtet, dass die Einspeisevergütung vor allem als
kostendeckende Vergütung gedacht ist und in der Summe als integrale
Leistung. Als solche integrale Leistung sollte man es auch für das
EEG-Umlagenkonto betrachten und die Kosten dafür ebenfalls als
Gesamtgröße. Es geht bei EEG-Anlagen eben gerade nicht darum, dass die
Anlagen "sich am Markt behaupten" sollen. Vielmehr sollen
Anlagenbetreiber:innen mit dieser kostendeckenden Vergütung ein
geringes Risiko für ihre Investition tragen. Eine solche Sicherheit ist
für die Beschaffung der Finanzierung essentiell und gerade eine der
großen Errungenschaften des ursprünglichen EEGs. Dieses wird wieder
einmal weiter ausgehöhlt, indem den Solaranlagenbetreiber:innen nun mit
in Zukunft zunehmenden Zeiten negativer Preise ein unkalkulierbares
finanzielles Risiko auferlegt wird.
Mein Fazit:
Eine
Ansteuerbarkeit (und damit zukünftig auch Abregelbarkeit) von
PV-Anlagen durch den Netzbetreiber aus technischen Gründen ist für die
baldige Zukunft notwendig. Die Kosten dafür sollten jedoch gerade für
kleine Anlagen von Eigenheimbesitzern stark bezuschusst werden. Eine
pauschale Kappung auf 60% führt zu Jahresertragseinbußen von bis zu 10%
und ist eine Lösung auf Kosten der Klein-PV-Betreiber:innen. Eine
Nicht-Vergütung bei negativen Strompreisen hat einen rein kommerziellen
Hintergrund und wirkt eher wie eine populistische Neid-Maßnahme, die
sogar zu einer Reduzierung des derzeitigen Speicher-Booms führen kann.
Diese Textversion ist eine überarbeitete Version des Textes vom 19.2.2025