Zellulare Stromnetze - Science Slam
10.1.2019
Eberhard Waffenschmidt
100% Erneuerbare Energien erfordern eine verteilte, dezentralisierte Energieerzeugung.
Dem entspricht eine wesentlich stärker in einzelne Zellen aufgegliederte
Netzstruktur, einem "Zellularen Stromnetz". Die einzelnen Zellen
können bei Bedarf autark sein, aber sind im Regelfall miteinander verbunden.
Das Stromnetz wird so von unten nach oben organisiert. So wird auch in Zukunft
die Stromversorgung zuverlässiger und sicherer und kann lokal
auch bei einem globalen Blackout weiterbetrieben werden.
Zu diesem Thema habe ich kürzlich einen unterhaltsamen Science-Slam gehalten.
Hier folgt der Link zum Video sowie das Manuskript zum Slam:
> zum You-Tube-Video
Herzlich willkommen zu meiner Präsentation über "Zellulare Stromnetze". Hierbei geht es darum, wie wir in naher Zukunft unseren Strom besser verteilen als heute. Elektrischer Strom ist ja für unsere Zivilisation dermaßen unverzichtbar geworden, dass wir nicht einmal eine anständige Präsentation ohne Strom (Video-Beamer wird schwarz) -- Oh, was ist das? Ich fürchte wir haben hier einen Blackout vom Videobeamer. Na, ja, damit wären wir auch schon direkt mittendrin im Thema (Präsentation auf dem Video-Beamer geht weiter, Schriftzug "Blackout" erscheint):
Blackout - Ein europaweiter Ausfall der Stromversorgung bedeutet: Kein Wasser kommt mehr aus der Leitung, die meisten Heizungen versagen ihren Dienst, Autos können nicht mehr tanken, Telefon und Internet fallen aus und und... Mark Elsberg hat das sehr anschaulich in seinem Roman mit dem Titel Blackout beschrieben. Kennt den jemand?
Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Kann mit gar nicht passieren, denn ich habe ja eine Solaranlage auf dem Dach. Und außerdem hat unsere Gemeinde einen Windpark vor der Tür. Tja, nur leider sind alle dezentralen Erzeuger so gebaut, dass sie bei einem Blackout ebenfalls abschalten - aus Sicherheitsgründen. Und nun stellen sie sich einmal ein typisch deutsches Dorf vor: Nach vielem hin und her haben die Bewohner Solaranlagen auf den Dächern. Bei den Windanlagen hat es schon mehr Streit gegeben: Zwei Fraktionen haben sich bitter bekämpft, bis sich die Windräder endlich drehen. Und so erzeugt das Dorf bei Wind und Sonnenschein seinen eigenen Strom.
Außer bei einem Blackout, womöglich noch bei einem wichtigen Endspiel? Stellen sie nun vor, ich als Ingenieur müsste mich dann vor die wütende Meute stellen, dann wären Worte wie "Idioten" oder "Hirn geschissen" wohl noch die harmlosere Variante. Dabei muss das nicht unbedingt sein. Es ist mit etwas Aufwand tatsächlich möglich, das Dorf allein mit lokalen Erzeigeren - Wind, Sonne, etwas Speicher - vor Ort mit Strom zu versorgen.
Und dann: Ganz Zentral-Europa ist vom Blackout betroffen
Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Energieaktivisten bevölkertes
Dorf hört nicht auf der Dunkelheit Widerstand zu leisten
Und es werden mehr! Mehr, die sich zu einem Netzwerk zusammenschließen
und im Alltag Energie untereinander austauschen.
Die jeweils eigene Netz-Zellen bilden und Energie weitgehend lokal nutzen.
Die sich zu größeren Gebilden zusammenschließen und die Energienutzung
untereinander organisieren.
Bis ein großes Stromnetz entsteht, mit Regionen, die untereinander verbunden
sind, aber mit Vorrang Energie lokal nutzen. Ein "zellulares Stromnetz".
Sie werden vielleicht sagen, das haben wir doch jetzt auch schon. Der Unterschied
liegt aber darin, wie die Stromverteilung organisiert wird, auf welche Weise
wir unser Netz "intelligent", zu einem "Smart Grid" machen.
In unserem zellularen Netz organisieren sich die vielen Nutzer von unten,
schließen sich zusammen in den höheren Ebenen. Das nennt sich "Bottom-up"-Ansatz.
Auf Kölsch übersetzt bedeutet das "Arsch huh": Wir müssen
und können den "Hintern hoch" bekommen, so wie die Energiewende
im ersten Jahrzehnt auf zigtausenden Menschen basiert, die ihren "Arsch
huh" bekommen haben.
Eine vergleichbare Struktur hat die evangelischen Kirche. Die Gemeinden wählen
ihre Pastöre selber und ihre Superintendenten.
Im Gegensatz dazu ist die katholische Kirche von oben nach unten, "top down" strukturiert. Viele Fachleute stellen sich ein "Smart Grid" so ähnlich vor: Eine Zentrale steuert jede Komponente im Stromnetz. Das wäre praktisch so, als wenn der Papst abends um 10 Uhr per Knopfdruck Ihre Waschmaschine einschalten würde. Das könnte dann aber nicht nur der Papst, sondern auch Hacker könnten das. Der "Arsch huh"-Ansatz, dezentral von unten nach oben, ist in der Hinsicht viel schwieriger zu manipulieren und daher für das Stromnetz der Zukunft geeigneter.
Das Ganze ist übrigens nicht die spinnerte Idee eines kleinen Professors
von irgend so 'ner Hochschule. Es gibt tatsächlich mehrere Beispielprojekte
für solche "gallischen Energiedörfer", die dem Blackout
wiederstehen wollen: In Wilpoldsried, in Niederschönfeld und in Bordesholm,
wo ich konkret dran beteiligt bin.
Vor allem gibt es vom VDE eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema. Und das lässt
mich hoffen, dass der Ansatz eines Zellularen Stromnetzes tatsächlich
verwirklicht werden könnte. Und wir damit einen europaweiten Blackout
vermeiden können.
Zum Abschluss habe ich ihnen noch ein kleines Lied mitgebracht. Und wie könnte es anders heißen als:
Blackout
Blackout! - Lässt uns im Dunkeln steh'n.
Blackout! - und es wird nichts mehr geh'n.
Blackout! - Lässt uns erst ganz versteh'n
wie süchtig nach Energie
wir sind wie nie.
Wie Junkies den nächsten Kick.
wie Babies die Muttermilch
brauchen wir Energie.
Blackout! - Morgens gibt's kein Kaffee.
Blackout! - Abends gibt's kein TV.
Blackout! - Es fehlt die Energie,
die unsere kleine Welt
bei Laune hält.
Wenn Fehler uns alle bedroh'n:.
Ohne Fernseh'n und Strom
Kommt es schnell zur Rebellion!
Ohne Strom - Rebellion
Ohne Strom - Rebellion
Ohne Strom - Rebellion
Ohne Strom!
Blackout.
Weitere Links:
Thema Zellulare Netze
E.Waffenschmidt, 10.Jan.2019