Strommarkt-Liberalisierung 2.0
Eberhard
Waffenschmidt und Daniel Kray, 11.11.2017, Ergänzungen 19.11.2017, 30.11.2017
Mit der ersten Strommarktreform und dem Unbundling in den 90er-Jahren bekamen
die Netzbetreiber die Aufgabe, Strom von einem Ort zum anderen zu transportieren.
Damit wurde allen Akteuren ermöglicht, unabhängig vom Ort Stromhandel
zu betreiben. Vor dem Hintergrund einer immer stärker werdenden fluktuierenden
Strom-Erzeugung würde es Sinn machen, die Aufgaben der Netzbetreiber
für einen "Strommarkt 2.0" zu erweitern:
Netzbetreiber bekommen die Aufgabe, Strom nicht nur örtlich, sondern
auch zeitlich zu verschieben
Verträge zur Strom-Lieferung können auf diese Weise nun eine zeitliche
Komponente enthalten. Ein Erzeuger von Energie könnte also seinen heute
erzeugten Strom an einen Kunden verkaufen, der den Strom aber erst morgen
abnimmt. Da dies offensichtlich nur mit Hilfe von Stromspeichern möglich
ist, würde eine solche "Strommarkt-Liberalisierung 2.0" einen
unmittelbaren Anreiz für den Bau von Speichern geben.
Sowohl Übertragungsnetz- wie auch Verteilnetzbetreiber stünden in der Verantwortung, solche Verträge zu ermöglichen. Wichtige Voraussetzung zur Umsetzung wäre, dass Netzbetreiber Speicher gleichwertig wie Leitungen als Netzbetriebsmittel betreiben können. Damit dürfen sie die für ihren neuen Auftrag notwendigen Investitionen über die Netzentgelte abschreiben und dafür eine feste Rendite abrechnen. In absehbarer Zukunft beträgt bei neuen Anlagen der von der Bundesnetzagentur festgelegte Eigenkapitalzinssatz 6,91%. Insbesondere stünden Netzbetreiber in der Pflicht, Abregelungen zu verhindern und dazu ggf. Speicher unverzüglich auch Speicher zu bauen.
Netzbetreiber dürfen im Rahmen des bestehenden Auftrages, "die Versorgunssicherheit zu gewähren" auch heute schon Speicher baen und wie andere Netzkomponenten abrechnen. Die Notwendigkeit der Gleichzeitigkeit des Stromhandels setzt dem Einsatz von Speichern durch Netzbetreiber jedoch enge Grenzen, insbesondere weil neue Stromleitungen hier mit Speicheern konkurrieren und kostengünstiger sind. Mit einem neudefinierten Auftrag, Stromhandel mit Zeitverschiebung zu ermöglichen, wird sich diese Konkurrenzsituation ändern.
Die Chancen
Netzbetreiber sind potente und sachkundige Akteure. Ein Speicherausbau könnte daher sehr rational betrieben werden. Die fest vorgegebene Rendite würde einen großen Anreiz für Investitionen in diesem Bereich bieten.
Ein wichtiger Vorteil ist die klare Zuständigkeit. Die Notwendigkeit zum Speichern wird nicht einzelnen Anbietern oder Verbrauchern von Strom aufgebürdet, welche auch alleine die Kosten dafür zu tragen hätten. Stattdessen werden die Aufwendungen über die Netzgebühren auf alle Stromverbraucher umgelegt und auf diese Weise "sozialisiert". Alle, die Strom verbrauchen, beteiligen sich so am Ausbau von Speichern, nicht nur einige wenige.
Auf diese Weise kann auch kleinen oder neuen Anbietern von fluktuierendem Strom ein Marktzugang geschaffen werden. Bürgerenergie-Projekte bekommen so eine neue Chance. Eine solche Liberalisierung ermöglicht durch mehr Akteure auf dem Strommarkt eine ganz neue Wirtschaftsdynamik.
Da der Ausbau nach Bedarf erfolgt, und der Bedarf erst Stück für Stück wächst, kann der Einsatz von Speichern mit dem Bedarf wachsen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, die Lernkurven der neuen notwendigen Technologien zu durchlaufen. So kann eine Preisentwicklung angeregt werden, welche die Nutzung von Speichern dann erschwinglich macht, wenn sie großflächig benötigt werden.
Mögliche Risiken
Als Risiko könnte ein mangelndes Interesse der Akteure auftreten. Insbesondere, da Speicher als neue Technologien mit mehr Risiko behaftet sind als konventionelle Investitionen in Leitungen. Andererseits gibt es gerade bei den über 800 Verteilnetzbetreibern eine große Vielfalt. Daher ist anzunehmen, dass die neue Aufgabe und der festgelegte Eigenkapitalzinssatz von 6,91% zumindest bei den innovativeren Betreibern einen Anreiz bieten würde.
Ähnlich wie in anderen Bereichen könnte diese neue Aufgabe mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand versehen werden, der die Bemühungen konterkarieren würde.
Zu klären wäre auch, wie diese Aufgabe mit einer wünschenswerten Dezentralisierung von Strommärkten kompatibel ist.
Details und offene Fragen
Im Detail könnte man die Aufgabe für die Netzbetreiber weiter konkretisieren. Ideen dazu sind: