Der Ölpreis und der Klimawandel

Eberhard Waffenschmidt, 12.4.2016
Wenn man mich vor wenigen Jahren gefragt hätte, ob ein niedriger oder hoher Ölpreis gut für das Klima sei, hätte ich schon damals im Gegensatz zu vielen Experten einen niedrigen Ölpreis favorisiert. Warum? Ich bin der Meinung, es kommt für das Weltklima weniger darauf an, wieviel fossile Rohstoffe aktuell verbrannt werden, sondern dass insgesamt möglichst viele davon im Boden gelassen werden. Die fossilen Rohstoffe, die schon gefördert sind oder sehr kostengünstig zugänglich sind, werden ziemlich sicher eh verbrannt werden. Niedrige Öl- und Kohlepreise, wie sie derzeit herrschen, sorgen aber genau dafür, dass die Rohstoffe im Boden bleiben.

Schon jetzt sind die Explorationen für die Ölförderung in der Arktis aus Kostengründen auf Eis gelegt [1]. Fracking-Unternehmen in USA geraten in finanzielle Schwierigkeiten und müssen reihenweise schließen [2]. Hinzu kommt, dass Erneuerbare Energien schon heute in vielen Fällen im Preis konkurrenzfähig sind. (vgl. Bild 1). In Australien schließen mehrere große Kohleminen samt zugehörigen Kohlekraftwerken (siehe Internet mit Suchbegriffen "coal mine closure australia"). Aufgrund des niedrigen Kohlepreises und des mangelnden Bedarfs des Hauptabnehmers China lohnt sich der Export nicht mehr. Andererseits wird explizit die preiswertere (!) Solarenergie als weiterer Grund genannt, denn offensichtlich sind die laufenden Kosten der Kohleförderung und -Verstromung teurer als Solarstrom. Der fehlende Kohle-Strom könne problemlos durch Erneuerbaren Strom ersetzt werden: "We've got lots of sun, lots of wind feeding our grid system, feeding cheap, renewable energy into our homes." [3]. Auch Braunkohleverstromung ist in Deutschland ein Verlustbringer, induziert durch die Energiewende. Die kürzlich beschlossene Reduzierung des Tagebaus Garzweiler II ist da hoffentlich erst der Anfang.

Allerdings hätte ich gedacht, dass dieser Mechanismus nur funktioniert, wenn die Preise wegen der Erneuerbaren Energien so niedrig werden. Das ist aber offensichtlich nicht notwendig. Auch wenn preiswerte Erneuerbare vielleicht nicht Ursache für die niedrigen Kohle- und Ölpreise sind, so reicht offensichtlich ihre Konkurrenzfähigkeit. Und jetzt passiert etwas hoch Spannendes: Aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise geraten viele Unternehmen, die mit Fossilen handeln, unter finanziellen Druck. Etwas mehr als drei Viertel der Erdöl-Konzerne weltweit schreiben rote Zahlen, zum Teil im Milliarden-Dollar-Bereich (belegt für 3. Quartal 2015, siehe Bild 2). Diese Firmen haben Schwierigkeiten, noch Investoren oder Geldgeber zu finden. Es lohnt sich einfach derzeit nicht (mehr), in fossile Rohstoffe zu investieren! Stattdessen versprechen Investitionen in Erneuerbare Energien eine berechenbare, solide Wertschöpfung. Das hat zur Folge, dass die Investitionen in Erneuerbare Energien trotz niedriger Öl- und Kohlepreise weltweit weiter steigen (siehe Bild 3). Das Divestment, also der Abzug investierter Gelder aus den Fossilfirmen und die Umlenkung dieser Mittel zu den Erneuerbaren Energien hin, ist in vollem Gange und wird durch die niedrigen fossilen Rohstoffpreise weiter angeheizt!

Alles prima also? Nicht ganz: Die niedrigen fossilen Rohstoffpreise sorgen zwar auf der Erzeugerseite für einen Rückgang der Förderung. Aber sie heizen den Verbrauch an, was den Klimawandel zunächst sogar beschleunigt. Als einziger Ausweg aus diesem Dilemma bleibt, die Rohstoffpreise weiter so weit wie möglich zu drücken, aber die Verbraucherpreise so anzuheben, dass der Verbrauch spürbar reduziert wird. Dies kann nur durch entsprechende Abgaben passieren: Niedrige Ölpreise und eine spürbare CO2-Steuer können sich wunderbar ergänzen und eröffnen die ernsthafte Chance, den Klimawandel noch zu begrenzen.


Bild1: Stromerzeugungskosten in USA von Erneuerbaren Energien im Vergleich zu fossilen und nuklearen Technologien.


Bild 2
: Die meisten Erdölkonzerne sind ökonomisch im freien Fall.


Bild 3
: Die Investitionen in Erneuerbare Energien steigen weiter an.

Referenzen:

[1] "Shell stoppt Bohrungen in der Arktis" Stand 28.09.2015,
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/shelll-103.html, abgerufen 10.4.2016.

[2] Finanzmarkt-Welt, "Fracking: Die Pleitewelle rollt, die Geier warten", 13.1.2016,
http://finanzmarktwelt.de/fracking-die-pleitewelle-rollt-die-geier-warten-25314/, abgerufen 10.4.2016.

[3] Nick Harmsen, "Alinta's Leigh Creek coal mine to close next month, Port Augusta power station next March",
http://www.abc.net.au/news/2015-10-07/alinta-leigh-creek-coal-mine-to-close-next-month/6833402, abgerufen 10.4.2016.


E.Waffenschmidt, 7.Mai 2016