Technische oder wirtschaftliche Gründe zum Abregeln von Solaranlagen - das neue Solarspitzengesetz

Dach-PV-Anlage19.2.2025 Eberhard Waffenschmidt

Am Freitag, den 31.1.2025 wurde im Bundestag eine Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht, die es für die Solarenergie und damit für die Energiewende in sich hat: Das "Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen" oder umgangssprachlich, das Solarspitzen-Gesetz. Es soll Stromüberschüssen und negativen Strompreisen entgegenwirken. Es beinhaltet, dass zukünftige alle neuen Photovoltaik (PV)-Anlagen bis 25 kWpk entweder über ein sogenanntes Intelligentes Messsystem (IMSys) vom Netzbetreiber ansteuerbar sein müssen oder die Einspeiseleistung auf 60% der installierten Spitzenleistung beschränkt werden muss. Das gilt auch schon für Kleinstanlagen ab 2 kWpk. Weiterhin wird eingespeister PV-Strom nicht vergütet, wenn die Strompreise an der Strombörse negativ sind. Diese nicht-vergüteten Zeiten werden am Ende der Laufzeit der PV-Anlagen zum Teil ausgeglichen.

Ich sehe dabei zwei Motivationen für die verschiedenen Vorschriften:
Dass der Netzbetreiber auch kleine PV-Anlagen in einem technischen Notfall abregeln kann, wird in der nächsten Zeit notwendig werden. Im letzten Jahr wurde etwas mehr PV-Leistung auf Dächern installiert als in Freiflächenanlagen. Es mag der Punkt kommen, wo die eingespeiste PV Leistung technisch nicht mehr abgenommen werden kann oder eine anderweitige Überlastung droht. Insofern ist das unterstützenswert. Allerdings sollten die dafür notwenigen Extrakosten nicht den Klein-PV-Betreibern auferlegt werden, die damit über Gebühr belastet werden. Ich würde in diesem Zusammenhang eine deutlich stärkere Bezuschussung oder Kappung der Kosten für ein IMSys einführen, insbesondere für Kleinstanlagen.

In dem Zusammenhang ist dann eine Kappung der Einspeiseleistung zu sehen. Eine Kappung der Einspeiseleistung auf 60% der Spitzenleistung bedeutet zwar nicht, dass man auch nur 60% des Jahresertrags hat. Vielmehr ist die Ertragsminderung deutlich geringer, weil ja nur bei sehr starker Sonneneinstrahlung gekappt wird, und die ist nicht ganz so häufig. Mit einem exemplarischen PV-Einspeiseprofil (Region Köln, Südausrichtung, 30° Neigung) habe ich 6,8% Ertragsminderung für eine Volleinspeise-Anlage ausgerechnet. In einer anderen Untersuchung waren es knapp über 10% (siehe http://www.100pro-erneuerbare.com/netze/publikationen/2014-02-Eck/Eck-PV_Speicher_mit_Einspeiselimit.htm). Das scheint jetzt nicht so sehr dramatisch zu sein, kann aber über Gewinn oder Verlust entscheiden.

In Fachkreisen wird die Maßnahme lapidar damit relativiert, dass ja eh die meisten privaten PV-Anlagen inzwischen mit Batteriespeicher installiert werden. Dann kann grundsätzlich die gekappte Leistung in der Batterie zwischengespeichert werden und die Ertragsminderung reduziert sich auf die Verluste beim Ein- und Ausspeichern. Aber das Batteriemanagement muss dann auch dazu in der Lage sein, im Fall der Abregelung die PV-Energie noch zu speichern. Das geht grundsätzlich. Aber eine Optimierung hinsichtlich PV-Kappung erfordert grundsätzlich eine andere Betriebsstrategie als die Optimierung für den Eigenbedarf: Zum optimierten Eigenverbrauch sollte der Speicher möglichst voll sein, damit man ihn immer nutzen kann, wenn die Sonne mal plötzlich hinter Wolken weg ist. Um hingegen eine Spitzenkappung abzufangen sollte der Speicher aber möglichst leer sein, damit noch Platz für eine gekappte Solar-Spitze ist. Wie man diese gegensätzliche Anforderungen berücksichtigen kann, hatte ich auch schon mal veröffentlicht (siehe http://www.100pro-erneuerbare.com/publikationen/2013-11-Waffenschmidt-IRES/Waffenschmidt-dimensioning_of_pv_storages.htm ). Die Frage ist jedoch: Können das die aktuellen kommerziellen Batteriemanagementsysteme?

Insgesamt sehe ich die Maßnahme Kappung der PV-Leistung gerade für kleine PV-Anlagen kritisch. Offensichtlich will man einen Weg des kleinsten Widerstands gehen und die Kosten des technisch Notwendigen den Kleinanlagen-Betreibern aufbürden. Man hätte besser auf die Abregelung verzichten sollen und stattdessen finanzielle Anreize für eine Fernsteuerbarkeit aus technischen Gründen einführen sollen.

Die Nicht-Vergütung von Solaranlagen bei negativen Strompreisen hat jedoch keinen technischen, sondern nur einen kommerziellen Hintergrund. Manche Leute setzen negative Strompreise mit einer technischen Instabilität des Stromnetzes gleich. Scheinbar gibt es kein Gleichgewicht von Stromerzeugung und Verbrauch mehr. Das ist aber nicht so. Vielmehr sorgt der Markt ja gerade genau dafür, dass sich noch genug Verbraucher finden, die dann den Strom abnehmen, auch wenn sie dafür bezahlt werden. Manche befürchten, dass sich bald nicht mehr genug Verbraucher finden, um das Gleichgewicht zu halten. Aber selbst bei stark negativen Strompreisen werden konventionelle Großkraftwerke zum Teil weiterbetrieben, welche im Notfall abgeschaltet werden könnten, bevor das Stromnetz zusammenbricht. Und sollte es wirklich ein technisches Problem sein, sollen ja die Netzbetreiber die Möglichkeit erhalten, die Solaranlagen aus technischen Gründen abzuregeln.

Stark schwankende und häufige negative Strompreise haben im Übrigen dazu beigetragen, eine beispiellose Schwemme von Anschlussbegehren von Großbatteriespeichern zu triggern. Wie kürzlich auf tagesschau.de zu lesen war, berichten die Übertragungsnetzbetreiber von derzeit über 200 GW Speicherleistung, die beantragt sind. Auf der Tagung „zukünftige Stromnetze“ in Berlin, an der ich kürzlich teilnahm, berichtete Herr Dederichs vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion, dass davon schon 30 GW von den Netzbetreibern zugesagt sind. Diese großen Speicherleistungen werden sich nur finanzieren können, wenn die Strompreise durch weiteren Zubau von Erneuerbaren auch in Zukunft genügend schwanken und auch negative Werte annehmen. Die Nicht-Vergütung von Solaranlagen bei negativen Preisen wirkt dagegen, und könnte den aktuellen Speicherboom, den wir dringend benötigen, abwürgen.

Mir erscheint die Nicht-Vergütung bei negativen Strompreisen als eine populistische Maßnahme. Offensichtlich können manche es nicht ertragen und empfinden es als ungerecht, dass Solaranlagen auch dann noch Geld für eingespeisten Strom bekommen, wenn andere für das Einspeisen bezahlen müssen. Wenn Vergütungen gezahlt werden, obwohl Preise negativ fahren, wird auch ein wirtschaftliches Desaster für das EEG-Umlagekonto befürchtet. Dabei wird jedoch nicht beachtet, dass die Einspeisevergütung vor allem als kostendeckende Vergütung gedacht ist und in der Summe als integrale Leistung gedacht ist. Als solche integrale Leistung sollte man es auch für das EEG-Umlagenkonto betrachten und die Kosten dafür ebenfalls als Gesamtgröße. Es geht bei EEG-Anlagen eben gerade nicht darum, dass die Anlagen "sich am Markt behaupten" sollen. Vielmehr sollen Anlagenbetreiber mit dieser kostendeckenden Vergütung mit wenig Risiko ihre Investition erwirtschaften können. Eine solche Sicherheit ist aber für die Beschaffung der Finanzierung essenziell und gerade eine der großen Errungenschaften des ursprünglichen EEGs. Dieses wird wieder einmal weiter ausgehöhlt, indem den Solaranlagenbetreibern nun mit in Zukunft zunehmenden Zeiten negativer Preise ein unkalkulierbares finanzielles Risiko auferlegt wird.

Mein Fazit:

Eine Ansteuerbarkeit (und damit zukünftig auch Abregelbarkeit) von PV-Anlagen durch den Netzbetreiber aus technischen Gründen ist für die baldige Zukunft notwendig. Die Kosten dafür sollten jedoch gerade für kleine Anlagen von Eigenheimbesitzern stark bezuschusst werden. Eine pauschale Kappung auf 60% führt zu Jahresertragseinbußen von bis zu 10% und erscheint mir hingegen die Billig-Lösung auf Kosten der Klein-PV-Betreiber. Eine Nicht-Vergütung bei negativen Strompreisen hat einen rein kommerziellen Hintergrund, erscheint mir eine populistische Neid-Maßnahme und könnte sogar zu einer Reduzierung des derzeitigen Speicher-Booms führen.


E.Waffenschmidt, 19.Feb.2025